Die Begriffe „woke“ und „wehrhaft“ bringen die Herausforderungen unserer Zeit auf den Punkt. Auf der einen Seite steht das „Woke-Sein“: Der Begriff „woke“ wird in konservativen Kreisen oft abwertend verwendet, um eine übermäßige politische Korrektheit zu kritisieren. Aus einer progressiven Perspektive muss „woke“ aber als Ausdruck eines gesteigerten Bewusstseins für soziale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung und die Notwendigkeit des Widerstands gegen diese Probleme verstanden werden. Auf der anderen Seite steht die „Wehrhaftigkeit“: die Fähigkeit, sich gegen Bedrohungen zur Wehr zu setzen – sowohl im Inland als auch international. Gerade jetzt, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, wird klar, dass wir beides brauchen: Wokeness und Wehrhaftigkeit. Denn nur so kann eine sozial-ökologische Transformation auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gelingen. Und ja, das betrifft uns alle – auch die deutsche Wirtschaft und die Arbeitsplätze hierzulande.
Es reicht nicht aus, nur über soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz zu sprechen, wenn wir dabei die Bedrohungen in der realen Welt ignorieren. Das „Woke-Sein“ muss durch Wehrhaftigkeit ergänzt werden. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns allen gezeigt, dass wir unsere Werte nicht einfach schönreden können. Es geht um die Verteidigung von Freiheit, Demokratie und eben auch unserer wirtschaftlichen Grundlagen.
Deutschland ist eine Exportnation, und unsere Wirtschaft hängt massiv von stabilen internationalen Beziehungen ab. Unsere Lieferketten sind global vernetzt, und ein Großteil unserer Arbeitsplätze hängt vom Export ab. Im Jahr 2022 machte der Export rund 1,6 Billionen Euro aus – fast die Hälfte des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Wenn internationale Konflikte unsere Lieferketten stören oder Märkte wegfallen, sind Arbeitsplätze in Deutschland unmittelbar gefährdet.
Nehmen wir als Beispiel die Automobilindustrie: Deutschland exportiert Autos und Autoteile in alle Welt. Diese Exporte sichern hierzulande Hunderttausende von Arbeitsplätzen. Doch was passiert, wenn wichtige Lieferketten durch Kriege oder politische Instabilität unterbrochen werden? Die Folgen wären verheerend: Produktionsausfälle, Arbeitslosigkeit und ein enormer wirtschaftlicher Schaden.
Ein stabiles internationales Umfeld ist also nicht nur eine nette Wunschvorstellung – es ist essentiell für unseren Wohlstand und unsere Arbeitsplätze. Und genau hier kommt die Wehrhaftigkeit ins Spiel: Wenn wir nicht bereit sind, unsere internationalen Beziehungen und die globale Ordnung zu verteidigen, riskieren wir, dass genau dieses Umfeld destabilisiert wird.
Eine links-progressive Sicherheitspolitik muss auf drei Säulen stehen: Diplomatie, Entwicklung und Verteidigung – die berühmten „3D“. Diese drei Elemente müssen miteinander verzahnt sein, wenn wir eine gerechte und nachhaltige Welt anstreben.
Diplomatie: Klar, Diplomatie ist immer der erste Schritt. Wir müssen Konflikte durch Dialog und Verhandlungen lösen, wann immer es möglich ist. Aber Diplomatie allein reicht nicht. Gerade im Fall von Russland haben wir gesehen, dass Verhandlungen nicht immer fruchten. Wenn eine Seite wie Putin einfach nicht verhandeln will, müssen wir bereit sein, einen Plan B zu haben.
Entwicklung: Der zweite Pfeiler ist die Entwicklung. Wir müssen die Länder des Globalen Südens unterstützen, um deren soziale und wirtschaftliche Bedingungen zu verbessern. Das ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch eine Investition in globale Stabilität. Denn ohne Entwicklung bleibt der Nährboden für Konflikte bestehen. Aber auch hier gilt: Ohne Sicherheit keine Entwicklung. Deswegen brauchen wir eine dritte Säule.
Verteidigung: Verteidigung ist das, worüber keiner gerne spricht – aber sie ist unverzichtbar. Es ist naiv zu glauben, dass wir unsere Werte und unsere wirtschaftlichen Interessen schützen können, ohne bereit zu sein, sie auch zu verteidigen. Dabei geht es nicht um Militarismus, sondern um einen klaren und notwendigen Schutz. Die Bundeswehr und unsere Bündnispartner in der NATO sind dafür da, dass wir in Frieden und Freiheit leben können.
Die Bedrohung durch Russland betrifft nicht nur die Ukraine. Auch die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sind ernsthaft in Gefahr. Diese Länder sind Mitglied der NATO, aber sie liegen direkt an der Grenze zu Russland und Belarus. Wenn Putin dort destabilisieren oder sogar einmarschieren würde, wäre das eine direkte Herausforderung für die NATO und damit auch für Deutschland.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir unsere NATO-Partner im Baltikum unterstützen – und das nicht nur mit Worten. Die aktuelle Diskussion über die Stationierung von NATO-Mittelstreckenraketen in Deutschland ist ein heißes Eisen, das aber unbedingt angepackt werden muss. Ja, diese Raketen sind umstritten, aber sie sind ein starkes Signal an Russland: Bis hierhin und nicht weiter! Wenn wir jetzt nicht wehrhaft sind, riskieren wir, dass Putin weitergeht.
All das zeigt: Eine sozial-ökologische Transformation kann nur auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gelingen. Diese Ordnung ist das Fundament, auf dem wir alles aufbauen können – soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz, wirtschaftlichen Wohlstand. Wenn dieses Fundament ins Wanken gerät, bricht alles darüber zusammen. Deshalb müssen wir unsere Demokratie und unsere Freiheit schützen, mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.
Es ist an der Zeit, dass die progressive Linke den Zusammenhang zwischen „woke“ und „wehrhaft“ anerkennt. Wir müssen uns für soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit einsetzen – aber wir müssen auch bereit sein, diese Werte zu verteidigen. Der Krieg in der Ukraine hat uns gezeigt, wie schnell Bedrohungen Realität werden können. Unsere freiheitliche demokratische Grundordnung und unsere wirtschaftliche Stabilität stehen auf dem Spiel. Wenn wir nicht bereit sind, uns zu verteidigen, riskieren wir alles, was wir erreicht haben.
Die 3D-Strategie aus Diplomatie, Entwicklung und Verteidigung ist der Weg, wie wir eine wehrhafte und gleichzeitig progressive Außen- und Sicherheitspolitik gestalten können. Jetzt ist die Zeit, diesen Weg zu gehen – für eine gerechte, nachhaltige und sichere Zukunft.