Wer bremst, verliert!

18. März 2025

Zur Zukunft der deutschen Automobilindustrie

Ich bin momentan beruflich viel bei deutschen Automobilherstellern unterwegs. Ich spreche mit Ingenieur:innen, Führungskräften und Mitarbeitenden in den Produktionshallen – Menschen, die diesen Industriezweig nicht nur am Laufen halten, sondern ihn auch aktiv gestalten. Und ja, es gibt Herausforderungen: Gewinne brechen ein, der Absatz von Elektroautos stockt, die Konkurrenz, vor allem aus China, wächst. Wer sich nur die Zahlen ansieht, könnte denken, die fetten Jahre seien endgültig vorbei.

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Doch so einfach ist es nicht. Ich sehe eine Branche, die gelernt hat, mit Krisen umzugehen, sich anzupassen und gestärkt aus Herausforderungen hervorzugehen. Die Automobilindustrie in Deutschland hat sich in der Vergangenheit mehrfach neu erfunden – und genau das passiert jetzt wieder. Deshalb bin ich überzeugt: Trotz aller Schwierigkeiten ist die Zukunft dieser Branche vielversprechend.

Warum wir uns nicht in Panik reden sollten

Ein Punkt, der mir immer wieder auffällt: In Deutschland neigen wir dazu, uns in Krisenstimmung hineinzureden. Alles scheint gerade besonders schlimm, jede Entwicklung wird im „Worst-Case-Modus“ analysiert.

Diese Art der Wahrnehmung beschreibt Dirk von Gehlen als „Worst-Case-Chronozentrismus“: das Muster, in dem Menschen glauben, dass genau jetzt die schlimmste aller möglichen Zeiten sei. Dabei wird oft vergessen, dass es früher auch Krisen gab – und dass die Wirtschaft trotzdem weitergewachsen ist.

Natürlich ist es wichtig, Probleme klar zu benennen. Aber wir sollten uns nicht in Katastrophenszenarien verlieren, sondern stattdessen nach vorne schauen. Die Automobilindustrie ist eine Schlüsselbranche, die sich immer wieder neu erfindet. Und die Entwicklungen, die ich vor Ort erlebe, stimmen mich positiv.

Die Krise als Chance: Warum der Abschwung nicht das Ende ist

Ja, die Zahlen der großen Automobilhersteller sehen aktuell nicht rosig aus. BMW, Mercedes und Volkswagen haben zuletzt deutliche Gewinneinbußen hinnehmen müssen. Doch das ist nicht das erste Mal. Wer sich die Geschichte dieser Branche ansieht, erkennt ein Muster: Phasen des Abschwungs waren oft der Ausgangspunkt für Innovation und Erneuerung.

© Christian Lue/unsplash.com
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  • Die 1970er Jahre brachten die erste Ölkrise – und führten zu effizienteren Motoren und neuen Fahrzeugklassen.
  • Die 1990er Jahre erlebten eine Absatzkrise – doch daraus gingen völlig neue Modelle wie die SUV-Klasse hervor.
  • Die Finanzkrise 2008 traf die Autoindustrie schwer – aber sie führte auch zu einer Neuaufstellung und neuen Produktionsmethoden.

Heute stehen wir erneut vor einer solchen Phase. Aber ich bin überzeugt: Wer die Zeichen der Zeit erkennt, wer investiert, wer innovativ ist – wird gestärkt aus dieser Zeit hervorgehen.

Transformation: Notwendig, aber machbar

Der Wandel ist unumgänglich. Die Automobilindustrie ist eine der tragenden Säulen der deutschen Wirtschaft – sie stellt rund 800.000 Arbeitsplätze direkt und weitere Millionen in Zulieferbetrieben bereit. Doch die Rahmenbedingungen ändern sich rapide.

  • Elektromobilität: Die Nachfrage nach Elektroautos wächst langsamer als erhofft, doch sie wächst. Die Ladeinfrastruktur wird ausgebaut, die Batterietechnologie verbessert sich, und die Effizienzsteigerungen in der Produktion sorgen dafür, dass E-Autos immer wettbewerbsfähiger werden.
  • Digitalisierung und Software: Die Zukunft der Mobilität wird nicht allein durch Motoren bestimmt, sondern durch digitale Funktionen, Assistenzsysteme und vernetzte Dienste. Unternehmen investieren Milliarden in eigene Software-Plattformen, um nicht von Tech-Konzernen wie Google oder Apple abhängig zu sein.
  • Neue Produktionsmodelle: Unternehmen setzen zunehmend auf flexible Fertigungsmethoden und Automatisierung. Die deutsche Automobilindustrie hat in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass sie weltweit führend in der Effizienzsteigerung ist – ein Vorteil, den sie auch in der Transformation nutzen kann.

Die Frage ist also nicht, ob sich die Automobilindustrie verändern muss – sondern wie. Und hier gibt es ermutigende Entwicklungen.

Sozialpartnerschaft: Ein Erfolgsmodell in der Transformation

Ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Automobilindustrie in Deutschland ist die Sozialpartnerschaft – das enge Zusammenspiel von Arbeitgebern, Beschäftigten und Gewerkschaften. Während es in anderen Ländern oft ein Gegeneinander gibt, haben wir in Deutschland eine Tradition des Miteinanders, gerade in Zeiten des Wandels.

Die Gewerkschaften, allen voran die IG Metall, spielen hier eine zentrale Rolle. Sie fordern nicht nur bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne, sondern gestalten aktiv die Transformation mit:

  • Tarifverträge sichern Beschäftigung
  • Weiterbildung und Umschulung
  • Beteiligung an Investitionsentscheidungen

Diese Art der Zusammenarbeit ist ein entscheidender Vorteil für die deutsche Automobilindustrie.

© ThisIsEngineering/unsplash.com
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Gemeinsame Forderungen für eine erfolgreiche Transformation

In Zusammenarbeit mit dem Verband der Automobilindustrie (VDA) hat die IG Metall Anforderungen an die europäische und nationale Klimaschutzpolitik formuliert. Um Beschäftigung in der Automobilindustrie zu sichern, sei eine kluge Politik notwendig, die anspruchsvolle, aber zugleich realistische Ziele setze. Diese gemeinsamen Forderungen unterstreichen die Notwendigkeit einer ausgewogenen und realistischen Klimaschutzpolitik, die sowohl ökologische als auch ökonomische Aspekte berücksichtigt.

Zudem betont die IG Metall die zentrale Rolle der Elektromobilität für den klimafreundlichen Umbau der Industrie in Deutschland. Sie fordert eine klare und verlässliche Industriepolitik, um den Rahmen für den notwendigen Wandel zu schaffen und zukunftsfähige Industriearbeitsplätze zu sichern. Während z.B. BMW in der Vergangenheit auch auf Wasserstoff als alternative Antriebsform gesetzt hat, zeigt sich zunehmend, dass dieser Weg mit erheblichen Herausforderungen verbunden ist. Der Einsatz von Wasserstoff in Pkw wird von vielen Experten kritisch gesehen, insbesondere aufgrund des geringeren Gesamtwirkungsgrads im Vergleich zu batterieelektrischen Fahrzeugen. Wasserstoff ist wie Champagner: rar, teuer und eher für besondere Anlässe geeignet. In diesem Zusammenhang erscheint der Einsatz von Wasserstoff vor allem in energieintensiven Industrieprozessen, wie in der Chemieindustrie, sinnvoller als im Pkw-Bereich.

Der Staat als Partner: Investitionen in die Zukunft

Ein wesentlicher Faktor, der mich optimistisch stimmt, ist der politische Wille, die Transformation aktiv zu gestalten. Die Lockerung der Schuldenbremse und neue Investitionsprogramme zeigen, dass Deutschland nicht nur zusieht, sondern aktiv in die Infrastruktur der Zukunft investiert.

  • Ladeinfrastruktur
  • Produktion und Forschung
  • Arbeitsplatzsicherung und Weiterbildung

Investitionen in Infrastruktur: Ein entscheidender Faktor

Das betrifft nicht nur den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos, sondern auch eine breitere Modernisierung: bessere Verkehrswege, schnellere digitale Netze und der Ausbau von Produktionskapazitäten für Schlüsseltechnologien wie Batterien und Halbleiter. Diese Maßnahmen schaffen langfristige Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit – nicht nur für die Automobilindustrie, sondern für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland.

Und das ist der richtige Weg. Jahrzehntelang haben wir in Deutschland zu viel gespart, wenn es um die Zukunft ging. Jetzt ist die Zeit, entschlossen zu investieren.

© Alex Suprun/unsplash.com
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Die Zukunft gehört den Mutigen

Es gibt zwei Arten, mit Krisen umzugehen: Man kann sich ängstlich zurückziehen und auf bessere Zeiten hoffen – oder man kann aktiv nach vorne gehen und die Zukunft gestalten. Die deutsche Automobilbranche entscheidet sich für Letzteres.

Natürlich gibt es Unsicherheiten. Natürlich wird der Wandel nicht reibungslos verlaufen. Aber wenn ich sehe, wie entschlossen Unternehmen, Politik und Beschäftigte an einer gemeinsamen Lösung arbeiten, dann weiß ich: Die deutsche Automobilindustrie wird nicht untergehen. Sie wird sich neu erfinden – wie sie es immer getan hat.

Und genau deshalb bleibe ich optimistisch.

Quellen:

BMW Group. (2025). Jahreskonferenz 2025: Strategien und Entwicklungen.
Bundestag. (2024). Stellungnahme der IG Metall zur Transformation der Automobilindustrie (Drucksache 20/9/410).
IG Metall & Verband der Automobilindustrie. (2017). Europäische Klimaschutzpolitik muss Anforderungen der Automobilindustrie berücksichtigen. IG Metall Niedersachsen & Sachsen-Anhalt. (2024). Gewerkschaft fordert konsequente Unterstützung für die Transformation der Automobilindustrie.
Jusos München. (2022). Automobilindustrie transformieren: Herausforderungen und Chancen für eine zukunftsfähige Industriepolitik.
Technische Universität Braunschweig. (2024). Drive for Change: Betriebliche Perspektiven auf die Transformation in der Automobilindustrie.
von Gehlen, D. (2025). Das Schlimmste hat immer recht: Das Muster des Worst-Case-Chronozentrismus.

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