Klimaschutz, Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Resilienz: Die großen Themen unserer Zeit sind längst keine abstrakten Debatten mehr. Sie wirken sich konkret auf Unternehmen, Beschäftigte und ganze Stadtteile aus.
München steht dabei gut da – wirtschaftlich stark, international vernetzt, sozial engagiert. Die Stadt beherbergt sieben DAX-Unternehmen, verfügt über einen dynamischen Mittelstand und ist ein führender Standort für IT, Umwelttechnologien, Finanzdienstleistungen sowie die Kreativwirtschaft. Die Arbeitslosenquote ist niedrig, die Kaufkraft hoch.
Doch die Anforderungen an Politik und Verwaltung steigen. Wirtschaftsförderung muss heute mehr leisten als klassische Standortpflege. Sie muss aktiv, vernetzt und strategisch auf die Zukunft ausgerichtet sein. Vor allem aber: Sie muss sich an einem gemeinsamen Ziel orientieren – als Investition in eine lebenswerte, sozial gerechte und wirtschaftlich nachhaltige Stadt.
Diese Politik setzt auf Kooperation, nicht auf Konkurrenz. Auf Gemeinwohl, nicht nur auf Gewinn. Sie traut dem öffentlichen Sektor Gestaltungskraft zu und der Gesellschaft Kreativität und Verantwortung.
Meine Vision ist ein München, das seine ökonomische Stärke in soziale Gerechtigkeit übersetzt. Das Wertschöpfung mit Wertschätzung verbindet. Und das nicht nur zukunftsfähig ist – sondern Zukunft gestaltet.
Statt sich darauf zu beschränken, günstige Bedingungen für Wirtschaft zu schaffen, sollte die Stadt klar sagen: Wir wollen wirtschaftliche Entwicklung gezielt dorthin lenken, wo sie gesellschaftlich gebraucht wird. Öffentliche Mittel und politische Gestaltungskraft können mehr leisten als bloß Rahmenbedingungen zu setzen. Sie können Wandel antreiben – wenn sie gemeinsam mit Unternehmen, Gewerkschaften, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf ein konkretes Ziel hinarbeiten.
Genau hier setzt der Ansatz einer vernetzten Standortförderung an: Wirtschaftspolitik wird nicht länger als Verwaltungsthema behandelt, sondern als gemeinschaftlicher Auftrag, der unterschiedliche Akteure in einem zielgerichteten Prozess zusammenführt.
Das erfordert eine neue Haltung: Wirtschaft wird nicht nur ermöglicht, sondern mitgestaltet. Verwaltung agiert nicht nur reaktiv, sondern strategisch. Förderpolitik orientiert sich nicht primär an Wachstum, sondern an Wirkung. Kurz gesagt: Es geht um eine moderne Wirtschaftspolitik mit öffentlichem Auftrag und gesellschaftlicher Zielsetzung.
In einer Stadt wie München entsteht wirtschaftlicher Wandel nicht am Reißbrett. Er entfaltet sich in der Realität von Betrieben, Werkstätten, Cafés, Rechenzentren und Schulen – dort, wo Menschen gemeinsam arbeiten, Lösungen entwickeln und Verantwortung übernehmen.
Deshalb braucht es eine neue Form der Wirtschaftsförderung: Eine, die nicht nur Bedingungen schafft, sondern gezielt Räume öffnet, in denen Kooperation entsteht. Wirtschaftspolitik wird zur Plattform, auf der gemeinsame Ziele entwickelt und umgesetzt werden.
Diese Plattform-Logik bedeutet: Wirtschaftsförderung wird zur Klammer für Transformation. Sie wird ressortübergreifend gedacht – nicht nur im Referat für Arbeit und Wirtschaft, sondern gemeinsam mit Kommunal-, Klima- und Umweltreferat, Planungsreferat, IT-Referat und Referat für Bildung und Sport. Sie bringt kleine und große Unternehmen miteinander ins Gespräch und baut Brücken zwischen Start-ups, Mittelstand und Industrie. Sie kooperiert eng mit Gewerkschaften, um gute Arbeit, soziale Stabilität und wirtschaftliche Dynamik zusammenzudenken. Und sie bindet städtische Gesellschaften aktiv ein – etwa die Stadtwerke München im Bereich Energiewende, m-net beim Glasfaserausbau oder die Stadtsparkasse München als Partnerin für Finanzierung und Gründung.
Ein konkretes Beispiel, wie diese neue Form der Zusammenarbeit aussehen kann, liefert der „Gastroturbo“. Diese Initiative wurde von Oberbürgermeister Dieter Reiter und dem neuen Wirtschaftsreferenten Christian Scharpf ins Leben gerufen, um gezielt auf den dramatischen Fachkräftemangel in der Gastronomie zu reagieren. Viele Betriebe litten nach der Pandemie unter akutem Personalmangel – nicht, weil es grundsätzlich an Bewerber:innen fehlte, sondern weil langwierige und komplizierte Verfahren, etwa bei der Beschäftigung ausländischer Fachkräfte, massive Hürden aufbauten. Der Gastroturbo schafft eine zentrale Anlaufstelle, um genau diese bürokratischen Hemmnisse abzubauen und Verfahren spürbar zu beschleunigen. Besonders Betriebe, die internationale Fachkräfte einstellen wollen, profitierten von der Entlastung – ein entscheidender Hebel, um die Branche zu stabilisieren und wettbewerbsfähig zu halten.
Der Erfolg des Gastroturbos liegt nicht nur in seiner Wirkung, sondern in seiner Haltung: unbürokratisch, lösungsorientiert, vernetzt. Was wäre, wenn dieses erfolgreiche Modell nicht die Ausnahme, sondern der Ausgangspunkt wäre? Wenn daraus eine dauerhafte Struktur entstünde, die nicht nur auf Krisen reagiert, sondern aktiv Zukunft gestaltet?
Daraus entsteht die Idee einer kommunalen Transformationsagentur: einer städtischen Organisationseinheit, die Betriebe durch den Wandel begleitet, Potenziale vernetzt und ganz praktische Unterstützung bietet – auf Augenhöhe und mit Umsetzungskraft.
Eine solche Transformationsagentur könnte zum Herzstück einer modernen Wirtschaftsförderung werden. Sie würde nicht allein verwalten, sondern aktiv gestalten – mit einem interdisziplinären Team, das sich auf Branchenschwerpunkte und Zukunftsthemen spezialisiert.
Diese Agentur würde Unternehmen nicht allein lassen mit Fragen der Digitalisierung, der Klimaanpassung oder des Fachkräftemangels. Sie würde Brücken bauen zwischen städtischer Verwaltung, Bildungsinstitutionen, Energieversorgern, Kreditinstituten und innovativen Start-ups. Dabei würde sie nicht nach Sektor oder Zuständigkeit sortieren, sondern nach Aufgabe: Wie gelingt die Umstellung auf klimaneutrale Produktion? Wie kann ein Betrieb durch digitale Prozesse entlastet werden? Wie gewinnen wir die Fachkräfte, die morgen gebraucht werden?
Eine handwerkliche Gießerei, die mittelfristig von Gas auf Wasserstoff umstellen möchte, findet in der Agentur nicht nur technische Beratung, sondern auch Partner für Mitarbeiterschulungen, Fördermittelberatung und Kontakte zu Pilotkunden. In diesem Kontext könnten die Stadtwerke München als Energieversorger eine zentrale Rolle spielen, indem sie die Gießerei bei der Integration von Wasserstofftechnologien unterstützen. Die SWM arbeiten an Lösungen mit Wasserstoff als Energieträger, um die Energie- und Wärmeversorgung in München zukunftsfähig zu gestalten.
Eine Bäckerei, die energieeffizienter backen möchte, wird mit einem Start-up für Lebensmitteltechnik vernetzt. Ein Friseurbetrieb mit nachhaltigem Konzept erhält Unterstützung bei Standortsuche, Digitalisierung und Finanzierung. Dabei geht es nie nur um Einzelförderung – sondern immer auch um Lernen im Netzwerk: voneinander, miteinander, anwendungsnah.
Auch beim Thema Fachkräftegewinnung kann die Transformationsagentur systematisch helfen – zum Beispiel durch gezielte Programme zur Fachkräfteintegration, Qualifizierungsinitiativen mit Gewerkschaften oder strategische Partnerschaften mit Berufsschulen und Weiterbildungsträgern. Sie wäre damit nicht nur Reaktion auf bestehende Engpässe, sondern aktiver Motor für eine nachhaltige und faire Arbeitswelt.
Die Agentur wäre kein isolierter Ort, sondern Teil eines Netzwerks in den Stadtteilen – mit dezentralen Anlaufpunkten, die als One-Step-Agencies funktionieren: leicht erreichbar, verständlich organisiert und direkt lösungsorientiert. Unterstützt durch eine zentrale Online-Plattform, auf der alle Informationen transparent und handlungsorientiert gebündelt werden.
Gleichzeitig bringt die Agentur soziale Perspektiven systematisch ein: durch die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, durch Beteiligungsformate für Beschäftigte und durch gezielte Angebote zur Qualifizierung. Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden aktiv einbeziehen, sind nicht nur resilienter, sondern auch erfolgreicher im Wandel – das zeigen viele Studien und praktische Erfahrungen. Die Agentur würde diesen sozialen Dialog institutionalisieren und zur Grundlage moderner Wirtschaftspolitik machen.
Denn letztlich ist Wirtschaftsförderung keine technische Disziplin, sondern Teil einer gemeinsamen Stadtentwicklung. Sie ist ökologisch, sozial und wirtschaftlich zugleich – und muss als solche verstanden werden. München hat alle Voraussetzungen, diesen Weg zu gehen: eine vielfältige Wirtschaftsstruktur, starke Netzwerke, kommunale Gesellschaften mit Innovationskraft und eine engagierte Stadtgesellschaft. Was es jetzt braucht, ist der politische Wille, diese Potenziale zu bündeln und in eine gemeinsame Richtung zu lenken.
Die Idee der vernetzten Wirtschaftsförderung ist kein radikaler Bruch – sie ist die konsequente Weiterentwicklung dessen, was viele bereits anstoßen. Sie setzt auf Zusammenarbeit statt auf Einzelmaßnahmen. Auf Beteiligung statt auf Formalismus. Und auf klare gemeinsame Ziele statt auf Zuständigkeitsdenken.
München hat die Ressourcen, das Wissen und die Innovationskraft, diese Idee umzusetzen. Was es jetzt braucht, ist der politische Wille, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit – und der Mut, Wirtschaft nicht nur zu ermöglichen, sondern aktiv mitzugestalten.
Denn eines ist klar: Die Transformation kommt – die Frage ist nur, ob wir sie gestalten oder verwalten. Ich bin überzeugt: Wir können sie gemeinsam gestalten.