Macht’s nur so weiter!

27. Oktober 2024

„Ich sage Dir, Olga, wir gehen einer großen Krise entgegen, wenn wir nicht schon mittendrin sind.“ So spricht Annette v. Soettingen zu ihrer Freundin und Mitarbeiterin in ihrem Antiquitätengeschäft. Die meisten erkennen die Referenz: die Kultserie Monaco Franze – Der ewige Stenz mit Helmut Fischer als Franz Münchinger alias „Monaco“. Das Zitat stammt aus der achten Folge mit dem Titel „Macht’s nur so weiter“. Irmgard, die Haushälterin der beiden, fragt den Standlbesitzer auf dem Viktualienmarkt: „Gibt es denn gar nix mehr, was nicht schon wieder teurer oder weniger geworden ist?“ Die Preise für den „windigen Bund“ Petersilie steigen wöchentlich – ein Thema, das heute aktueller ist denn je.

(c) Maximum Film/Alamy
(c) Maximum Film/Alamy

Krisenbewusstsein und die „dornigen Chancen“ der Politik

Ebenso „windig“ wie der Bund Petersilie erscheint die Rhetorik von Christian Lindner, der uns seit 1997 „Probleme als dornige Chancen“ verkauft. Für diejenigen, die in großzügigen Schwabinger Altbauwohnungen wie die Münchingers leben, mögen diese Worte annehmbar sein. Doch für die meisten Menschen, bis weit in die sogenannte Mittelschicht, wachsen sich Wirtschaftskrise und Preisdruck schnell zu existenziellen Bedrohungen aus.

Das Metzler Lexikon Religion definiert den Begriff „Krise“ als „Unsicherheit, bedenkliche Lage, Zuspitzung, Entscheidung, Wendepunkt“. In der antiken Medizin bezeichnete „Krise“ den Höhepunkt einer Krankheit, der entweder zur Genesung oder zum Tod führte. In unserer heutigen wirtschaftlichen Situation scheint der Wendepunkt längst erreicht – die Frage bleibt, wohin er uns führen wird.

Die Krise von gestern und die Realität von heute

1983, als Monaco Franze erstmals ausgestrahlt wurde, lagen die Nachwirkungen der zweiten Ölkrise von 1979-82 schwer auf der deutschen Wirtschaft, Rezession und Inflation waren die Folgen. Damals führte die Krise jedoch nicht zur Infragestellung des Kapitalismus. Heute sieht die Lage anders aus: Viele Menschen beginnen zu erkennen, dass das kapitalistische System, wie wir es seit dem Zweiten Weltkrieg kennen, an seine Grenzen stößt. Besonders für diejenigen, die sich mit dem Klimawandel oder der Ungleichverteilung zwischen globalem Norden und dem Trikont befassen, sind die Konsequenzen offensichtlich. Die Auswirkungen beider Entwicklungen – Klimawandel und Verteilungsungerechtigkeit – sind längst in unserem Alltag spürbar. Die globalen Fluchtbewegungen sind nur ein kleiner Ausdruck dessen, was auf uns zukommt.

Bayern im Krisenstrudel: Zwischen Wohlstandsverlust und politischer Orientierungslosigkeit

Auch Bayern steht mitten in einer Energiekrise und Rezession, die unser Bundesland offenbar härter trifft als unsere Nachbarn. Zwar hat die bayerische Wirtschaft in der Nachkriegszeit aus jeder Krise gestärkt hervorgehen können, diesmal jedoch ist das weniger sicher. Die kumulativen Belastungen durch Putins Angriffskrieg auf die Ukraine und seinem Wirtschaftskrieg gegen uns, die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und die zunehmenden Folgen der Klimakrise, die als „Jahrhundertkatastrophen“ ausgerufen werden und nun alle paar Jahre eintreten, bringen selbst das wirtschaftsstarke Bayern ins Straucheln. Das Risiko eines allgemeinen Wohlstandsverlustes für alle Gesellschaftsschichten droht – und ihm kann nur begegnet werden, wenn wir den Zusammenhalt fördern und Spaltungstendenzen in unserer Demokratie entgegentreten.

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Das Dach neu decken – Krisenmanagement oder Transformation?

Unser Dach hat seit Jahren erheblich Löcher, teils weil sich niemand um die Instandhaltung gekümmert hat, teils weil die Jünger:innen der „unsichtbaren Hand des Marktes“ mit dem Bohrer auf dem Dach unterwegs waren, wann immer man sie nur gelassen hat. Einige Zeit konnten wir das erfolgreich ignorieren, weil die Sonne schien, jetzt sind mehrere heftige Gewitter gleichzeitig aufgezogen und wir kommen kaum noch hinterher Kübel aufzustellen, um das schlimmste zu verhindern. Und gleichzeitig müssen wir trotzdem jetzt das Dach neu eindecken. Lange haben, vor allem in der alten Bundesrepublik, hohe Wachstumsraten zu mehr und mehr Wohlstand in der Breite der Bevölkerung geführt. Seit gut zwanzig Jahren jedoch stagniert dieser Trend, während die Vermögensungleichheit wieder das Niveau des späten 19. Jahrhunderts erreicht hat. Wachstum allein kann die Verteilungsfrage nicht länger überdecken. Besonders die politische Linke steht nun vor der Aufgabe, Wohlstand nachhaltig abzusichern und gerecht zu verteilen.

Rückblick auf den Ausgangspunkt: Von der Ölkrise zum Neoliberalismus

Interessanterweise gehen viele dieser heutigen Herausforderungen auf die zweite Ölkrise der späten 1970er-Jahre zurück, auf die in Monaco Franze angespielt wird. Die politischen Weichenstellungen der ab 1982 regierenden CDU/CSU/FDP-Regierung unter Helmut Kohl in Deutschland, von Margaret Thatcher in Großbritannien und Ronald Reagan in den USA haben bis heute Einfluss. Geprägt von der Ideologie des Neoliberalismus nach Milton Friedman, prägten sie, über alle Parteigrenzen hinweg, die 1990er und 2000er Jahre, und ihre Folgen sind heute deutlich spürbar. Doch dass der Neoliberalismus, der so gar nichts mehr mit dem klassischen Freiheitsgedanken des Liberalismus gemein hat, nicht mehr unwidersprochen bleibt, gibt Hoffnung auf einen Wandel. Schließlich setzt persönliche Freiheit auch immer die Freiheit von Not voraus.

"There’s no such thing as society, (...) people must look to themselves first." (Margaret Thatcher, Woman’s Own, 1987)
"There’s no such thing as society, (...) people must look to themselves first." (Margaret Thatcher, Woman’s Own, 1987)

„Macht’s nur so weiter“ – oder doch ein Umdenken?

Am Ende der Folge von Monaco Franze kehren Franz und Annette genervt von der Krise zu ihrem alten Lebensstil zurück. Die Kamera schwenkt auf Irmgard, gespielt von Erni Singerl, die in altbaierischer Schicksalsergebenheit meint: „Macht’s nur so weiter.“ Ein Satz, der in seiner Ironie viel von unserer aktuellen Situation widerspiegelt. Auch wir könnten „so weitermachen“ – oder lernen und die Transformation unserer Wirtschaft so gestalten, dass sie wieder dem Menschen dient und nicht umgekehrt.

Quellen:

  • Dohme, J., Balance Film München (Produzierende). (1983). Monaco Franze – Der ewige Stenz [TV-Serie]. Erstes Deutsches Fernsehen/Bayerischer Rundfunk.
  • Stern TV. (2017, Sept 13). Christian Lindner 1997 - Fundstück der Woche [Video]. YouTube. https://youtu.be/w0rL6Ju9H2Q?si=Ip95XU5VxJT5N-Sj
  • Klosinski,G. (1999). Krise. In: C. Auffarth et al., Metzler Lexikon Religion, Springer.

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