Die Iden des Merz: Wie die Union sich selbst verrät

02. Februar 2025

Der Verrat der Mitte – und der Mann, der ihn anführt

Es ist passiert. Die Union und die FDP haben gemeinsam mit der AfD gestimmt. Mit einer Partei, die offen von einer „wohltemperierten“ Diktatur schwärmt, die auf Telegram Hetzjagden auf Politiker plant, die von „Remigration“ faselt – was nichts anderes bedeutet als Deportationen. Der Damm ist gebrochen, die Brandmauer eingerissen – und das nicht von irgendwelchen Spinnern, sondern von den verdammten Erben Adenauers und, Gott sei meiner Seele gnädig, dass ich das sagen muss, sogar Strauß‘!

© Tom Hauzenberger
© Tom Hauzenberger

Man kann sich die Ausreden schon vorstellen: „Aber es ging doch nur um Sachpolitik!“„Wir können doch nichts dafür, wenn die AfD zustimmt!“„Es war die Ampel, die uns dazu gezwungen hat!“ Bullshit. Niemand wurde gezwungen, mit einer rechtsextremen Partei abzustimmen. Niemand musste den Fuß in diese Tür setzen. Und doch haben sie es getan. Aus Machtgeilheit, aus Feigheit oder aus purem Opportunismus.

Und mitten drin? Friedrich Merz. Der Mann, der sich für Deutschlands nächsten Kanzler hält.

Ein Mann, der sich überschätzt

Friedrich Merz hat ein Problem. Er hält sich für klüger als er ist, für erfahrener als er je war und für entschlossener, als es seiner Partei guttut. Er hat noch nie ein Land regiert. Nicht einmal ein Ministerium geführt. Er hat keine Regierungserfahrung, keine außenpolitische Kompetenz, keine Krisenerfahrung. Aber er tut so, als könnte er alles aus dem Stand.

Und dann kam sein Moment: Erst der Entschliessungsantrag zur Migrationspolitik und dann das sogenannte „Zustrombegrenzungsgesetz“. Ein harter Kurs in der Migrationspolitik, um sich als starker Mann zu inszenieren. Und was passiert? Der Entschliessungsantrag wird verabschiedet. Und dann bei Gesetz entdecken einzelne Abgeordnete der Union und FDP in letzter Sekunde ihr Gewissen. Und während Merz noch davon träumt, sich als strahlender Migrationskontrolleur feiern zu lassen, feixt die AfD im Plenarsaal. Weil sie genau wissen, was gerade passiert ist: Die Union hat ihnen den Steigbügel gehalten.

© Thomas Witzgall
© Thomas Witzgall

Diese Bilder wird man nicht mehr los: Die AfD grinst, die Union schaut betreten zu Boden, während Merz die Katastrophe nicht mal kapiert.

Verantwortung? Kennt er nicht

Dann dieser eine Satz, den man ihm für immer um die Ohren hauen sollte:
„Eine richtige Entscheidung wird nicht falsch, nur weil die Falschen zustimmen.“

Was für ein Schwachsinn. Politik ist kein mathematisches Rechenexempel, wo sich richtig und falsch wie Plus und Minus gegeneinander aufheben. Politik ist Wirkung. Und Merz hat mit dieser Abstimmung die Büchse der Pandora geöffnet.

Denn was passiert, wenn die AfD künftig jeden Unions-Antrag unterstützt, nur um sie vor sich herzutreiben? Was passiert, wenn die Union plötzlich zu deren Handlanger wird?

Die Antwort ist längst da: Die AfD hat gewonnen, ohne einen Finger zu krümmen. Sie kann sich als Machtfaktor inszenieren, während Merz sich fragt, warum er plötzlich nicht mehr der strahlende Held ist.

Weil er’s verschissen hat.

Die Union muss sich entscheiden

Es gibt in der Union noch Menschen mit Rückgrat. Es gibt kluge Köpfe, die genau wissen, dass dieser Kurs in den Abgrund führt. Die verstanden haben, dass man sich mit der AfD nicht einlässt, dass die Wähler in der Mitte zurückgewonnen werden müssen, dass die Union für Stabilität und Seriosität stehen muss. Doch mit Merz an der Spitze ist das unmöglich.

Denn was ist sein eigentlicher Plan? Wer soll ihn zum Kanzler wählen und was will er als Kanzler? Außer SPD und Grüne beleidigen und sich selbst als starken Mann inszenieren? Nichts. Null. Nada.

Er wäre ein Kanzler ohne Kompass. Einer, der auf jede Empörung reagiert, aber nie selbst eine Linie entwickelt. Einer, der lieber gegen Windmühlen kämpft, als echte Reformen durchzusetzen. Ein Mann ohne Regierungserfahrung, der sich von seinen eigenen Instinkten treiben lässt.

Das ist keine Führung. Das ist Chaos.

Die SPD? Stabil antifaschistisch seit 1863

Und dann dieser billige Versuch, der SPD mangelndes Engagement gegen die AfD zu unterstellen. Merz sollte lieber in die Geschichtsbücher schauen. Während er gerade beginnt, Franz von Papen zu imitieren und sich zaghaft mit der AfD anzunähern, hat die SPD ihren Kampf gegen den Faschismus seit 1863 in der DNA.

SPD-Bundestagskandidatin Seija Knorr-Köning bei der Demonstration vor der CSU-Landesleitung am 30.01.2025 © Tom Hauzenberger
SPD-Bundestagskandidatin Seija Knorr-Köning bei der Demonstration vor der CSU-Landesleitung am 30.01.2025 © Tom Hauzenberger

Die SPD war es, die 1933 als einzige Partei gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt hat (zugegebenermaßen weil die Kommunisten bereits im KZ saßen). Die SPD war es, deren Mitglieder in Konzentrationslagern gefoltert wurden, weil sie sich widersetzten. Die SPD war es, die auch nach dem Krieg immer wieder gegen Neonazis, Rechtsradikale und Hasspolitik gekämpft hat – während Teile der Union lieber an den eigenen Machterhalt dachten.

Aber Merz hat weder Geschichtsbewusstsein noch Schamgefühl. Stattdessen träumt er von einer Union, die sich nach rechts orientiert, weil er glaubt, dort sei was zu holen. Doch was es dort gibt, ist kein Wahlerfolg – sondern der langsame Tod unserer Demokratie.

Das Tor zur Hölle ist geöffnet – aber noch nicht durchschritten

Doch noch ist es nicht zu spät. Noch kann die Union aufwachen und begreifen, dass sie auf einem Irrweg ist. Noch kann sie sich besinnen und in die politische Mitte zurückkehren, wo sie einst ihre größten Erfolge gefeiert hat.

Du bist die Brandmauer

Doch eins ist klar: Die Union wird vor der Wahl und im Falle eines Wahlsieges in Vasallentreue fest zu Friedrich Merz stehen – komme, was wolle. Egal wie oft er die Brandmauer zur AfD einreißt, egal wie oft er nach rechts schielt, egal mit wessen Stimmen er sich zum Kanzler wählen lässt – die Reihen werden geschlossen bleiben. Das bedeutet, dass die einzige Chance, diesen Kurs zu stoppen, bei Dir liegt.

Die Wahlentscheidung im Februar wird zur Weichenstellung für dieses Land. Als aufrechter Christ, als aufrechter Demokrat und als aufrechter Mensch kann und darf man diese Merz-Union nicht wählen. Wer Stabilität will, wer eine Politik der Mitte will, wer sich nicht damit abfinden will, dass die größte konservative Partei dieses Landes von einem Hitzkopf geführt wird, der fahrlässig mit Demokratiefeinden paktiert – der muss Verantwortung übernehmen.

© Tom Hauzenberger
© Tom Hauzenberger

Denn die „Iden des Merz“ stehen längst bevor. So wie einst Cäsar glaubte, unantastbar zu sein, und sich in seiner eigenen Machtfantasie verirrte, so schwebt auch Merz über den Dingen – überzeugt, dass nur er allein den richtigen Kurs kennt.

Doch noch ist Zeit, die Richtung zu ändern. Noch ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen. Noch ist Zeit: Du bist die Brandmauer!

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